Volksstück

Volksstück
Vọlks|stück 〈n. 11volkstüml. Theaterstück für städt. Publikum

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Vọlks|stück, das (Theater):
[humoristisches] volkstümliches Bühnenstück.

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Volks|stück,
 
seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchliche Bezeichnung für Theaterstücke über das Volk und für das Volk, die - im Gegensatz zu dem von Laien getragenen Volksschauspiel - von professionellen Schauspielern aufgeführt werden. Der Begriff Volksstück zeigt eine Bandbreite, die zum einen aus dem historisch variablen Verständnis von »Volk« resultiert, zum anderen v. a. aus der inhaltlichen und funktionalen Heterogenität, die vom satirischen, antihöfischen und antibürgerlichen »Gegentheater« bis hin zu rein unterhaltenden Bühnenstücken reicht. Offen gegenüber den Formen des höfischen und bürgerlichen Sprech- und Musiktheaters (klassische Tragödie, Oper), aber auch gegenüber ausländischen Einflüssen (Commedia dell'Arte, Vaudeville, elisabethanisches Drama, v. a. Shakespeare), umfasst das Volksstück unterschiedliche Gattungen: das Stegreifspiel, die satirisch-komische Posse, den (bäuerlichen) Schwank, das Lebens-, Charakter- und Genrebild und das moderne sozialkritische Volksstück. Die Grundstruktur des Volksstücks besteht in der Verbindung von fiktiver Handlung, konventionellem Spielschema und »Helden aus dem Volk« mit einer aktuellen, realitätsbezogenen Fabel, wobei das Publikum ein mitbestimmender Produktionsfaktor ist (J. Hein); volkstümlich ist auch die Sprache, obwohl es sich dabei selten um echten Dialekt handelt (Mundartdichtung). - Die Ursprünge des Volksstücks liegen im österreichischen-süddeutschen Raum, wo v. a. das Wiener Volkstheater bis weit in das 19. Jahrhundert hinein paradigmatisch mit der Entwicklung des Volksstücks verbunden blieb. Andere lokale Traditionen (Lokalstück) wie in Hamburg (Georg Nikolaus Bärmann, * 1785, ✝ 1850; Heinrich Jakob David, * 1712, ✝ 1839; J. Stinde; F. Stavenhagen), Frankfurt am Main (K. Malss), Darmstadt (E. E. Niebergall) und Berlin (Julius von Voss, * 1768, ✝ 1832; K. von Holtei; A. Glassbrenner; A. L'Arronge) knüpften zum Teil an das Wiener Vorbild an, waren dabei aber wesentlich kurzlebiger. - Unter den Versuchen, das Volksstück zu erneuern, ist im 19. Jahrhundert - neben dem von Friedrich Kaiser (* 1814, ✝ 1874) geprägten ernst-komischen Charakter- und Lebensbild - v. a. L. Anzengrubers bäuerliches Volksstück zu nennen. Hier werden, in Anknüpfung an F. Raimund, J. N. Nestroy und an B. Auerbachs Konzept der Dorfgeschichte, soziale und menschliche Probleme modellhaft ins dörfliche Milieu transponiert. Als Reaktion auf die Vereinnahmung des Volksstücks durch die Heimatkunstbewegung, das bürgerliche Bildungs- und das kommerzielle Boulevardtheater bemühten sich ab den 1920er-Jahren Marieluise Fleisser, B. Brecht, C. Zuckmayer und Ö. von Horváth um die Wiederherstellung des kritischen Potenzials und des plebejisch-vitalen Elements; v. a. Horváths im kleinbürgerlichen Milieu spielende Stücke übten wegen ihrer subtilen Sprach- und Gesellschaftskritik nachhaltigen Einfluss auf das moderne Volksstück seit den 1960er-Jahren aus. Zu dessen wichtigsten Vertretern gehören v. a. W. Bauer, F. X. Kroetz, F. Mitterer, Werner Schwab (* 1958, ✝ 1994), M. Sperr und P. Turrini. Während das zeitgenössische kritische Volksstück ebenso wie die Pflege des »klassischen« Volksstücks (Raimund, Nestroy, Anzengruber) eine Domäne des elitären Bildungstheaters geblieben ist, erreichen die auf hohem Niveau rein auf Unterhaltung zielenden Volksstücke von Schwankbühnen (z. B. Ohnsorg-Theater in Hamburg, Millowitsch-Theater in Köln, Löwinger-Bühne in Wien, Peter Steiners Theater-Stadl in München) durch das Fernsehen heute ein Millionenpublikum.
 
 
Gerd Müller: Das V. von Raimund bis Kroetz (1979);
 T. Bügner: Annäherungen an die Wirklichkeit. Gattung u. Autoren des neuen V. (1986);
 
Volk, V., Volkstheater im dt. Sprachraum des 18.-20. Jh., hg. v. J.-M. Valentin (Bern 1986);
 H. Aust u. a.: V. Vom Hanswurstspiel zum sozialen Drama der Gegenwart (1989);
 E. Kormann: »Der täpp. Prankenschlag eines einzelgänger. Urviechs. ..«. Das neue krit. V. - Struktur u. Wirkung (1990);
 J. Míšová: Das sozialkrit. V. in der Dramatik der BRD am Beispiel von Franz Xaver Kroetz (Prag 1990);
 T. Schmitz: Das V. (1990);
 
Das zeitgenöss. dt.-sprachige V., hg. v. U. Hassel u. H. Herzmann (1992);
 C. N. Jones: Negation and utopia. The German V. from Raimund to Kroetz (New York 1993);
 
On the contemporary Austrian V. (San Bernardino, Calif., 1993);
 J. Hein: Das Wiener Volkstheater (31997);
 H. Herzmann: Tradition u. Subversion. Das V. u. das epische Theater (1997).

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Vọlks|stück, das (Theater): [humoristisches] volkstümliches Bühnenstück.

Universal-Lexikon. 2012.

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